Am 8. Juni 2004 lies sich ein extrem seltenes Himmelschauspiel beobachten. Die Venus schob sich vor die Sonne. Anders als bei der totalen Sonnenfinsternis, bei welcher der Mond die Sonne völlig bedeckt, wird es dabei aber nicht dunkel auf der Erde. Die Venus erscheint nur als kleiner schwarzer Punkt, der durch unser Zentralgestirn wandert.
Der Vorgang ähnelt dem des Merkurtransit, der allerdings viel häufiger auftritt. Während der Merkur aber sehr klein ist und mit blossem Auge kaum betrachtet werden kann, ist die Venus schon deutlicher mehr sichtbar.
Jürgen Hüfner, Dirk Zirwick und ich luden zum gemeinsamen Betrachten des Venustransits auf den Sportflughafen auf dem Lagerberg ein. Wir hatten bereits am Abend aufgebaut und auf dem Lagerberg übernachtet. So durften wir einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten.
Der Venustransit war am 8. Juni von 7:20 mit dem ersten Kontakt bis um 13:23 Uhr mit dem vierten Kontakt zu sehen. Interessierte Besucher konnten in der Zeit dazwischen unangemeldet auf dem Sportflughafen einen Blick durch die aufgebauten Teleskope werfen.
Unserer Einladung über die Zeitung (die auch auf Bayern1 ausgestrahlt wurde) folgten etwa 200 Menschen hoch auf den Flugplatz. Teleskop im Fordergrund ist meine Celestron 8”, im Hintergrund steht ein MeadeLX 200 10” von Dirk Zirwick.
Zunächst einmal klingt alles ganz einfach: die Venus schiebt sich zwischen Erde und Sonne. Doch bei näherem Hinsehen handelt es sich um einen sehr komplexen Vorgang. Genauso wie die Erde dreht sich auch die Venus annähernd auf einer Kreisbahn um die Sonne. Ihre Kreisbahn ist der Sonne jedoch näher als die der Erde und das zwingt die Venus dazu, die Sonne schneller zu umrunden. Während die Erde bekanntermassen für eine Sonnenumrundung 365 Tage benötigt braucht die Venus nur 224 Tage. Sie läuft der Erde damit davon.
Nachdem die Venus die Sonne einmal umrundet hat kommt sie wieder von von hinten an die Erde heran und holt die langsamere Erde so nach 584 Tagen erneut ein und überholt diese. Nur während einem solchen Überholvorgang, der in der Fachsprache „untere Konjunktion“ genannt wird, befinden sich Erde und Venus scheinbar auf gleicher Höhe mit der Sonne (Abb.1). Und so könnte es frühestens alle 584 Tage zu einem Venustransit kommen. Dennoch geschieht das Ereignis viel seltener.
Wenn man unser Sonnensystem von der Seite betrachtet wird der Grund dafür schnell klar. Die Kreisbahnen, auf denen Venus und Erde laufen, stehen im Raum um 3,4° zueinander geneigt (Abb.2). Findet der Überholvorgang an einem ungünstigen Standpunkt der Planeten statt, dann ist die Venus zu hoch oder zu niedrig, um direkt zwischen Erde und Sonne zu geraten. Von der Erde aus betrachtet steht die Venus dann beim Blick zur Sonne knapp über oder knapp unter der Sonne.
Nur dann, wenn der Überholvorgang nahe einem Knotenpunkt der beiden Planetenbahnen stattfindet, stehen Erde, Venus und Sonne tatsächlich in einer Linie im Raum. Und nur dann kommt es zu einem Venustransit (Abb. 3), wie wir ihn am 08. Juni beobachten können.
Doch das Phänomen wird weit komplexer. Denn müssten Erde, Venus und Sonne tatsächlich auf einer exakten Linie stehen, dann würde der Venustransit fast nie eintreten. Da Sonne, Venus und Erde jedoch keine Punkte im All darstellen, sondern aufgrund ihrer Grösse optisch eine Fläche im beobachtbaren Feld abbilden entsteht ein Toleranzbereich. Findet der Überholvorgang also nahe des Schnittpunktes der Planentenbahnen statt, dann kommt es auch dann zu einem Venustransit, wenn der Schnittpunkt eben nicht exakt getroffen wird.
Nun besitzt die Erde zwei Möglichkeiten in einen Schnittpunkt zu gelangen: in den “vor” (A) und den “hinter” (B) der Sonne. Dies bedeutet folglich, dass aus Sicht der Erde dies nur alle 365/2 Tagen möglich wäre.
Gleichzeitig muss sich die Venus ebenfalls in diesem Schnittpunkt befinden. Diese ist ebenfalls nur jede halbe Sonnenumrundung in einem solchen Schnittpunkt, also alle 288/2 Tage.
Um beide Planeten in diesen Schnittpunkt zu bringen, muss der Überholvorgang mit dem gleichzeitigen Eintreten beider Planeten in diesen Schnittpunkt zusammenfallen. Dies kann geschehen, wenn beide Vielfache der halben Umrundungen zusammenfallen. Das ist frühestens nach 8 Jahren innerhalb des Toleranzbereichs möglich.
8 Erdjahre = 2920 Erdentage
2920 Erdentage / 224 Umlauftage der Venus = 13,03 Venusjahre
Am 08.06.04 treten Erde und Venus in diesem Toleranzbereich um den Knotenpunkt herum auf eine annähernde Linie und führen so zum Venustransit. Daraufhin folgen 5 weitere “untere Konjunktionen” (Überholvorgänge), die jeweils ausserhalb dieses Toleranzbereiches liegen. Erst am 06.06.2012, also nach nahezu exakt 8 Erdjahren und ebenso fast genau 13 Venusjahren kommt es wieder zur Konjunktion in diesem Toleranzbereich.
Dies führt dazu, dass der nächste Venustranist am 06.06.2012 stattfindet. In der Abbildung 1 ist verdeutlicht, dass die Venus dabei an das andere Ende des Toleranzbereichs kommt. Dann aber trifft die Venus nach weiteren acht Jahren (um den 07.06.2020) nicht mehr in den Toleranzbereich um den Knotenschnittpunkt ein (Abbildung 2). Dies tut sie erst wieder nach 105,5 Jahre auf der anderen Seite der Sonne (B). Dann ist es allerdings Dezember, wir sprechen dann vom Dezembertranist(Abbildung 3).
Nach 8 Jahren kann die Venus wieder im hinteren Toleranzbereich eintreten und verursacht wieder einen Dezembertransit. Nun treten 121,5 Jahre Pause ein, ehe es wieder zu zwei Junitranisten kommt.
Dieser Vorgang wiederholt sich, bis er am 14. Juni 2984 aus den Fugen gerät. Deshalb, weil die Venus dann beim Eintreten in den Toleranzbereich diesen gleich nahe der Mitte trifft und so nach acht Jahren bereits wieder aus dem Toleranzbereich fällt. Die Transite treten dann eine Zeit lang nicht mehr im Acht-Jahres-Doppel auf.
Liegt der “Überholvorgang” (untere Konjunktion) ausserhalb des Toleranzbereichs der Verbindungslinie Erde – Sonne, dann erscheint uns die Venus von der Erde aus betrachtet über oder unter der Sonne. Je näher sich die Venus in der unteren Konjunktion am Knotenpunkt der Planetenbahnen befindet, desto näher wird sie der Sonne stehen. Steht sie exakt im Knotenpunkt, dann steht sie von der Erde aus betrachtet auch exakt in der Mitte der Sonne.
Als Folge der Logik bedeutet dies folgendes: Steht die Venus am Rand des Toleranzbereichs, dann steht sie auch am Rand der Sonne. Dies ist am 08.06.2004 im unteren Bereich der Sonne und am 06.06.2012 im oberen Bereich der Sonne.
Damit ist das Phänomen noch immer nicht ausreichend hinterfragt. Wer die Venus bei ihrem Transit beobachten will muss sich zudem auf der richtigen Seite der Erde befinden. Nämlich auf der Tagseite.
Befinden wir uns in Deutschland, dann muss für eine erfolgreiche Beobachtung des Venustransits Europa Richtung Sonne zeigen. Dies ist sehr wahrscheinlich, da der Venustransit mehrere Stunden andauert. Da sich die Erde währenddessen dreht geschieht es sehr wahrscheinlich, dass zumindest ein Teil des Transits beobachtet werden kann.
Im günstigsten Fall ist der komplette Verlauf zu beobachten. Diese günstige Situation finden wir am 08.06.2004. Da die Sonne mit Beginn des Transits bereits aufgegangen ist und erst weit nach Ende des Transits wieder unter geht.
Wer das Ereignis versäumte und am 06.06.2012 einen zweiten Beobachtungsversuch startet kann in Deutschland nur einen Teil des Transits beobachten. Ohne eine grösserer Reise zu unternehmen wird es daher keinen günstigeren Beobachtungsmoment mehr geben. Zumindest so lange wir leben.
Am 08.06.2004 können wir eine vollständige Beobachtung machen. Am 06.06.2012 nehmen wir noch den Schluss wahr. Am 11.12.2117 kommt es zu einem Venustransit, den wir von Deutschland aus nicht sehen können (macht aber nichts, weil wir sowieso nicht mehr leben). Am 08.12.2125 können wir nur den Beginn beobachten, ehe die Sonne untergeht. Der nächste Junitransit am 11.06.2247 ist wieder vollständig, während am 09.06.2255 nur das Ende wahrzunehmen ist. Am 13.12.2360 können wir wieder keine Beobachtung machen und am 10.12.2368 nur den Beginn sehen.