Im April 2005 beschäftigte ich mich mit dem Fotografieren von Nebelbögen. Diese erzeugte ich überwiegend im dichten Nebel der nahen Wiesen um das Saale-Ufer im divergierenden Licht meiner Autoscheinwerfer. Da die Entstehung von Nebelbögen und Regenbögen sehr ähnlich ist, kam mir der Gedanken, ob man nicht auch Regenbögen im divergierenden Licht beobachten könnte. Solche Aufnahmen waren mir bis dahin noch nicht begegnet und so hatte mich der Ehrgeiz gepackt, ein solches Foto zu schießen. Wenn man nur im Auto sitzt und nach vorne schaut, dann passiert überhaupt nichts. Wer sich aber die Mühe macht und bei strömendem Regen mal einige Meter vor sein Auto läuft, der wird feststellen, dass um ihn herum aus zunächst diffusen Strukturen ein immer klarerer Regenbogen entsteht.
Für meine damalige Optik war er viel zu groß, so dass ich die erste Beobachtung dieses Bogens nur in Form zusammengesetzter Bilder festhalten konnte. Anders als im parallelen Licht konnte ich den Regenbogen, den ich zunächst „Nachtregenbogen“ nannte, zum ersten Mal wirklich als Kreis beobachten. So wie es uns die Theorie auch immer zu erklären versuchte.
Wenn man genau hinsieht, dann kann man auch den äußeren 51°-Bogen entdecken.
Von den Halo-Erscheinungen im divergierenden Licht war mir klar, dass Lichterscheinungen an künstlichen Lichtquellen feste Ausdehnungen haben, die im Verhältnis zum Abstand zwischen Betrachter und Lampe zu setzen sind. Es interessierte mich also, wie dieser „Nachtregenbogen“, den ich heute „Lampenregenbogen“ nenne, räumlich aufgebaut ist und an welcher Stelle sich die zur Entstehung verantwortlichen Regentropfen befinden.
Da mir die mathematischen Kenntnisse zur Berechnung solcher Bögen fehlte, machte ich mich zuhause an ihre Konstruktion. Ich zeichnete also von der Lichtquelle ausgehende Strahlen in alle möglichen Richtungen. Dann suchte ich den Punkt (Regentropfen) an diesem Strahl, von dem eine Brechung in 42°, bzw. 51° (138°, bzw. 129°) genau das Auge des Betrachters treffen würde. Heraus kam ein apfelähnliches Gebilde, das man laut Alexander Haußmann auch Minneart-Zigarre nennt.
In der nebenstehenden Grafik beschreibt die blaue Kurve den inneren 42°-Regenbogen und die rote Kurve den äußeren 51°-Regenbogen.
Das bedeutete aber auch, dass der Regenbogen an vielen verschiedenen Stellen im Raum entstehen würde. Aus Sicht des Betrachters in allen möglichen Winkeln ab 42°, also auch bei 43°, 44°, etc. Die Folge davon hätte sein müssen, dass sich sämtliche, in allen Winkeln entstehenden Regenbögen eigentlich überlagern und somit hätten gegenseitig auflösen müssen. Da a) sich ihre Farben zu weiß mischen und b) sich die Bögen vom Hintergrund nicht mehr abheben.
Dass sie trotzdem beobachtbar sind und somit auch entstehen, hat vermutlich zwei Gründe. Zum einen scheinen sich die, dem Auge nahe liegenden Wassertropfen (also im Betrachtungswinkel von 42° und wenigen Graden weiter nach außen) dichter zu addieren, als beispielsweise 90° davon entfernt. Zum zweiten leuchtet der Scheinwerfer des Autos den „Apfel“ nicht gleichmäßig aus, sondern in einem relativ engen Kegel. So wird der ohnehin schon besser addierte Bereich kurz vor dem Auge auch noch stärker ausgeleuchtet (siehe Abb 3).
Als Folge ist der „Lampenregenbogen“ deutlich zu erkennen, wie die oben abgebildeten Aufnahmen ja auch belegen können.
Die nicht punktförmigen Schweinwerfer des Autos sorgen dabei für eine unscharfe Abbildung des Bogens. Des weiteren kommt es aufgrund der zwei vorhandenen Schweinwerfer auch zu zwei nebeneinander liegenden Minnaert-Zigarren, die letztlich durch ihre Addition eine Verbreiterung des wahrnehmbaren Bogens an der Seite zur Folge haben (siehe Abbildung 1).
Reverser Lampenregenbogen
Nachdem ich diese Überlegungen angestellt hatte, entstand in mir die Frage, was wohl passieren würde, wenn man den Lichtstrahl rückwärts durch den Regenbogen schicken würde. Also, wenn man quasi Lichtquelle und Betrachterauge in ihrer Position tauscht.
Naiverweise hatte ich mir eingebildet, dass dort, wo der Lampenregenbogen bisher entstanden war (also kurz vor dem Auge) nun der „Reverse Regenbogen“ kurz hinter der Lampe entstehen würde. Ich stellte mir also vor, dass im divergierenden Licht auch ein kleiner Regenbogen um die Lichtquelle entstehen dürfte. Da ich von diesem noch nie gehört hatte, ging ich motiviert daran, eine neue Entdeckung zu machen. Ich wurde nicht fündig.
Bei der späteren Konstruktion wurde mein Denkfehler sofort deutlich. Blickte ich nämlich nun auf den Teil des „Apfels“ (Minnaert-Zigarre), der sich hinter der Lampe befindet, dann sah ich aus einer völlig anderen Perspektive auf dasselbe Segment des „Apfels“. Die Addition der möglichen Regenbögen in sämtlichen entstehenden Winkeln ergab nun ein Bild, das sich gegenseitig auflösen würde. Sprich: der Lampenregenbogen wäre nun bei 1°, 2°, 3° usw. entstanden und wäre bei deren gleichmäßiger Addition für mich nicht mehr sichtbar.
Der „reverse Lampenregenbogen“ war somit zwar in der Theorie in jedem x-beliegen Punkt von 0 bis 138 (180-42) Grad vorhanden, aber genau aus diesem Grund auch nicht zu beobachten. Dies wäre nur gegangen, wenn man einen solchen Bogen in einem isolierten Winkel hätte alleine wahrnehmen können. Dies war nicht möglich, da es nie nur auf einer schmalen Schnittfläche regnen würde.
Ich verwarf den Gedanken an den „reversen Lampenregenbogen“ zunächst.
Schnitt durch den Lampenregenbogen
Etwa einen Monat später stieß ich auf eine Beobachtungsbeschreibung von Christoph Gerber (auch Mitglied im AKM). Er beobachtete Bögen auf einer nassen Wiese, die sich bei genauer Analyse als Lampenregenbögen herausstellten. Es regnete dabei nicht, sondern die Tropfen waren auf nassem Gras verteilt und bildeten so eine Fläche: also einen Schnitt durch die Minneart-Ziegarre. Damit war klar, dass Schnitte durch den Regenbogen möglich sind. Ab diesem Moment lies mich die Idee nicht mehr los, die Minneart-Zigarre nicht durch die beregnete Fläche zu zerschneiden, sondern durch das Licht.
Ich baute mir also einen rotierenden Spiegel und beschoss ihn mit einem Laser, so dass eine Lichtfläche im Raum entstand. Der rotierende Spiegel bildete dabei die Lichtquelle (zumindest bezogen auf mein Experiment, auch wenn natürlich der Laser leuchtete). Mit dieser Konstruktion stellte ich mich in den strömenden Regen und wollte nachweisen, dass man den Regenbogen auch auf Seite der Lichtquelle beobachten kann. Alle bisherigen Beschreibungen des Regenbogens waren auf Betrachterseite, noch dazu von der Lichtquelle (Sonne) abgewandt.
Und es gelang! Am 10.01.2008 fogografierte ich einen Reversen Lampenregenbogen (also ein Regenbogen auf Seiten der Lichtquelle).
Wenn man die „Lichtebene“ verkippte konnte man damit weitere willkürliche, aber ebene Schnitte durch die Minneart-Zigarre machen. Dazu musste ich nicht den Spiegel kippen, es genügte, wenn ich meinen Standpunkt veränderte, weil Regenbögen ja schließlich vom Betrachter abhängig sind. Der grüne Bogen hatte seine Spitze dann bald nicht mehr in der Lichtquelle (rotierender Spiegel), sondern löste sich davon ab.
Man kann sich das ein wenig so vorstellen, wie wenn man einen Apfel zerschneidet. Schneidet man durch den Strunk, dann entsteht ein Schnitt vergleichbar dem grünen Bogen. Je weiter man neben dem Strunk schneidet, desto mehr wird die Schnittfläche geschwungen, bis sie sogar zum Kreis wird.